Schluss, Aus, Vorbei!

Hier ist jetzt Schluss. Also demnächst. Diese Seite wird schon bald nicht mehr erreichbar sein.

Ich war schon immer ein kleiner Ordnungsnerd, passt eigentlich gar nicht zu mir, trotzdem: Es hat mir z.B. wirklich Spass gemacht, irgendwann Anfang der 90er, für meine über 100 VHS-Kassetten Listen anzulegen, mit minutensekundengenauen Angaben zu den Lauflängen der Filme. Ähnliches gilt für Musikkassetten oder Bücher, da probierte ich später auch diverse  Computerprogramme aus.

Deshalb war es nur folgerichtig, dass ich irgendwann anfangen würde, mehr mit diesem Blogdingens rumspielen zu wollen, und mit dieser Internetgeschichte an sich. Also besuchte ich in den letzten, anstrengenden Wochen einen Kurs, lernte wordpress jenseits des .com (als leichten Einstieg), html&css und schliesslich typo3. Ordentlicher Wissens- und Erkenntnisgewinn, ich bin immer noch begeistert ( & etwas verärgert, dass ich das nicht schon vor Jahren gemacht habe, wie so vieles….). Interessant auch, wie viele und was für verschiedene Leute auf die gleiche Idee kamen und da mit mir in einem Raum saßen. Auf diese gesamte Veranstaltung werde ich wohl später nochmal gesondert zu sprechen kommen müssen.

Es war gar nicht so einfach, dem Umfeld das halbwegs verständlich zu erklären: Ich halte meine Existenzen so gut es geht auseinander, es gibt kaum eine handvoll Leute, die beide kennen. Von Blogs haben die meisten schon was gehört, das war es dann aber auch (& ich will ja beileibe niemanden zu etwas zwingen, so pflegen sich Freundschaften auch gleich viel zwangloser). Daher sagte ich: Internetseiten schreiben. Was wir ja auch gemacht haben. Oder, ausführlicher: Es ist wie mit dem Autofahren – kann fast jeder, genau wie sich im Internet bewegen. Und ich lerne gerade Sachen wie Öl- und Zündkerzen wechseln, maximal vielleicht noch Ölfilter, Luftfilter und Zahnriemen dazu. Und ein Radio einbauen vielleicht. So in der Art.

Und wie beim Autofahren sollte man möglichst direkt nach dem Lernen in der Übung bleiben, also – und weil es mich sowieso in den Fingern juckte – habe ich meinen Blog komplett ab- und woanders wieder ganz neu aufgebaut. Mit wordpress, eine der wenigen Sachen, die so bleiben werden (neben allen Inhalten, hoffentlich…) Ich hätte es auch gerne in typo3 oder html ausprobiert, entschied mich dann aber doch für wordpress: weil es eben erstaunlicherweise doch einige Leute gibt, die mir dort folgen, weil es meine erste Heimat in der Blogwelt war – und von Gewohntem trennen muss ich mich sowieso viel zu viel in letzter Zeit.

Natürlich bleiben noch viele Fragen offen: Wer weiss, ob ich das mühsam ausgesuchte und per css angepasste Theme in einer Woche noch gut finde? Stelle ich die Bilder weiter einfach so in die Posts ein oder doch mittels der Galerie-Spielerei (ich habe das mal bei verschiedenen alten Beiträgen ausprobiert, bin aber noch zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen).

Und wer weiss, ob mir nicht demnächst komplett die Lust vergeht, ich auf der Strasse oder am anderen Ende der Welt lande; dann wären die Mühen der letzten Wochen für die Katz. Von wegen 1.300 Euro – Geld ist das Wenigste, was ein Blog kostet – und wenn ich nur die Hälfte des marktüblichen Stundensatzes berechnen würde, dann wären 1.300 Euro nicht annähernd die Zeit wert, die ich im letzten Monat mit diesem Projekt verbrachte. Und da sind weder Requisite noch Styling Food und Props einkalkuliert. Jeder Artikel musste noch mal „angefasst“ werden, ein paar kleine Änderungen vornehmen, Schlagwörter und Kategorien zuordnen (nicht wegen Google, sondern wegen meines eigenen Ordnungs-Listen-Faibles; wenn schon eine neue Datenbank angelegt wird, dann nutze ich das doch gleich).

Nicht zu vergessen die ganzen Bilder neu einzubinden (und wenigstens dabei versuchen, auf Barrierefreiheit zu achten)- und dann noch sämtliche Links überprüfen: Warum zur Hölle habe ich so viele Linklisten verbreitet?! Allerdings: komplett tote Links, sowohl zu Youtube als auch zu Blogs oder Artikeln oder Mediatheken, habe ich behalten, eine Art Dokumentation – von wegen „Das Internet vergisst nichts“! – nur bei geänderten urls habe ich versucht, die neuen Adressen einzubauen. Trotz der zeitraubenden Umstellung ein positives Fazit: Ich musste jeden einzelnen Text wenigstens nochmal überfliegen – und bei den wenigstens dachte ich Oh je. Eine weitere Frucht dieser Arbeit: die Texte sind halbwegs nachvollziehbar geordnet und oben im Menü in verschiedenen Schubladen abgelegt, soweit es ging.

Wahrscheinlich werde ich in der nächsten Zeit noch das eine oder andere zu feilen haben, aber soweit bin ich erst einmal zufrieden und hoffe, dass die Seite halbwegs vernünftig läuft – und, dass ich nicht allzu grossen Mist gebaut habe & sie die geneigte Leserschaft nicht zu sehr verstört. Zum Schluss die Formalia:

Ab sofort geht es weiter auf http://www.zurueckinberlin.de – für die .wordpress-Adresse ist das hier der letzte Beitrag. Das bedeutet auch, dass blogrolls, feedreader und wordpress-reader angepasst werden müssten. Nach ein paar Tagen Parallelbetrieb werde ich für die alte Seite einen Redirect anlegen, der hoffentlich auch die alten Links korrekt weiterleitet, und da ich weiter mit wordpress arbeite, hoffe ich, dass auch so wordpress-spezifische Sachen wie der Reader, Profile, Following oder die Sternchen wieder hinzubekommen sind (das entsprechende Plugin werde ich demnächst anpassen) – für Rückmeldungen zu irgendwelchen Problemen (und auch generell^^) wäre ich dankbar.

Und jetzt: Viel Vergnügen drüben, ich hab auch Schnittchen gemacht. Derweil werde ich die ganzen Artikel lesen, die ich in den letzten Wochen nur als Lesezeichen ablegen konnte. Dreistellig, schätze ich mal. Die nächste Linkliste wird wohl lang, und noch etwas dauern…

 

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Umzüge etc.

Samstag: Nach der Arbeit, spontan freiwillig ausgeholfen und komplikationslos absolviert, endlich dazu gekommen, die urls zu mieten. Demnächst wird es hier ernst, dunkel und eventuell erst einmal etwas stiller. Wenigstens ein Umzug, dem ich mit Freude entgegensehe: Endlich das umsetzen, womit ich mich schon fast zwei Monate werktags beschäftige, warum ich unter der Woche so viel zu tun habe & zu so wenig komme.

Aber Samstag, also Wochenende: Rucksack in die Ecke und wieder raus. Den Nachbarjungen, der auf dem Skateboard aus der Einfahrt schiesst, noch kurz abgeklatscht, am Hoffmann vorbei und aus der Ferne gegrüsst. Für den längeren Weg Richtung O-Platz entschieden, dafür aber komplett den alten, zugeschütteten Kanal lang gelaufen. Sonnenuntergang.

Schon von weitem sind die Bässe zu spüren. Je näher ich komme, desto mehr Leute um mich rum. Immerhin ist es also noch nicht ganz vorbei. Noch ein paar Schritte, dann kann man alles, was von der Bühne kommt, gut verstehen. Im Moment: Redebeiträge. Ich drehe eine halbe Runde um den gut gefüllten Platz, bis zum Brunnen, auf der Suche nach meiner Bezugsgruppe. Wir hatten uns lose verabredet; wenn, dann würden sie wohl hier ihr Lager aufschlagen.

Ein paar bekannte Gesichter ausgemacht, ein paar Schwätzchen gehalten. Die Bezugsgruppe meldet per SMS, dass sie noch im Hahn sitzen. Nein, denke ich mir, das wär mir grad zu rauchig und eng, da bleibe ich lieber hier. Ebenso eng bisweilen, je näher man zur Bühne kommt jedenfalls, und interessant riechende Rauchschwaden, klar – aber frische Luft, nette, friedliche Menschen und die Musik setzt auch wieder ein, nach einem Appell zur besonders unschönen Lage der geflüchteten Frauen, der mit den Worten „Herzlich willkommen zu einer weiteren sexistischen Veranstaltung“ eingeleitet wurde.

Doch die Musik ist nicht der einzige Grund, warum ich hier bin: Der Oranienplatz war der Stachel inmitten der Stadt, Symbol für die versagende Asylpolitik. Jeder von denen, die an diesem Ort vor Jahren ihr Lager aufschlugen, stand für werweisswieviele, die auf dem Weg hierher auf der Strecke blieben. Kurz zuvor hörte man wieder von  400 Ertrunkenen, in der Nacht darauf sollten mindestens 700 weitere dazu kommen. Nicht die, die es schaffen, sind das Problem, sondern die, die auf der Strecke bleiben – oder besser: Das Warum des auf der Strecke Bleibens, die Gründe für die Flucht und ihres vielfältigen Scheiterns sind das Problem, und dessen Ursachen liegen bei uns, zuhauf.

Aus den kurzen Gesprächen beim Rundgang war zu erfahren, dass ich sowohl Peter Fox als auch Zugezogen Maskulin verpasst hatte. Blieben also noch Irie Révoltés. Die spielten allerdings für Zehn und rissen die locker auf eine fünfstellige Zahl angewachsene Menge gut mit. Zu „Antifaschist“, wenn ich mich recht erinnere, gab es dann eine ausgeklügelte ortstypische Choreografie mit Feuerwerk und Transpis vom Dach, mittlerweile war es dunkel, passte alles. Und auf das Dach der Bushaltestelle passten 25 hüpfende Menschen.

Dann das übliche Spontandemo-Katz-und-Maus-Spiel, Zivis mit rasierten Köpfen, was den Knopf im Ohr gut erkennbar macht. Wir schauten uns das von der Seitenlinie aus eine Weile an, bis die Füße in den Chucks kalt wurden.

Der Hahn war nur über Umwege zu erreichen, ansonsten wie immer & erwartet. Deshalb (und auch, weil ich keinen Barhocker mehr erwischte) trieb es mich nach nicht allzu langer Zeit wieder nach draussen, frische Luft schnappen. Allerdings erschienen direkt hinter der geöffneten Tür ziemlich viele ziemlich breite uniformierte Rücken. Ich blieb dann doch erst mal in der Kneipe, dafür stürmte eine andere Fraktion aufgekratzt aus der Tür. Bedeutete: Einen Sitzplatz für mich.

Als das Geschehen sich etwas später verlagert hatte, nahm ich doch noch mal draussen auf den Stufen Platz, die Sirenen kamen aus Richtung Skalitzer, wo sich auch die schmalen Menschenströme hinbewegten, in der lauen Kreuzberger Frühlingsnacht. Der betrunkene Mann neben mir fragte, was denn gerade abgehe, irgendwer meinte wohl, heute würde der Kiez noch Kopf stehen, er hätte nichts mitbekommen, musste ja die ganze Zeit hinterm Tresen stehen.

Ich gab ihm eine Zusammenfassung von dem Wenigen, was ich berichten konnte, das „Eigentlich wie immer“ zum Schluss hätte vollkommen ausgereicht, eigentlich. Aber er wollte es ja genau wissen. „Den Ku’damm müsste man mal wieder platt machen“ sagte er, „jetzt, wo sie den wieder so schön aufpoliert haben. So wie damals in den 80ern, das ging ruck-zuck, von der TU-Mensa aus!“

„Jedenfalls besser als die O-Strasse…“ versuchte ich mich diplomatisch zu geben, und wollte eigentlich noch ein „Die Zeiten sind eh vorbei.“ nachschieben, aber er redete schon munter weiter. „Damals brauchtest du nur drei vernünftige Leute oben auf der Bühne, und die 2.500 unten kamen mit zum Ku’damm. Das dürfte doch kein Problem sein, ein paar Leute zusammen zu kriegen, mit der Technik heutzutage. Den Ku’damm müsste man mal wieder platt machen!“

Als ich wieder zur Tür rein kam, wurde gerade einem anderen betrunkenen Kerl ein Glas Leitungswasser quer über den Tresen ins Gesicht geschüttet, mit ordentlich Schwung. Wohl wegen penetranter sexistischer Kackscheisse.

Blöd eigentlich, dass da noch ein anderer Umzug ansteht.

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Dialog

„Was ist?“ fragt sie.

„Nichts, wieso?“ sagst du.

Nur so, weil du so grinst…“ sagt sie.

„Achso, nein, ich freu mich für dich, wirklich….“ sagst du.

„Ah ja, wieso das denn?“ fragt sie.

„Naja, was ist denn passiert? Du strahlst so!“ sagst du.

„Wie meinst du das?“ fragt sie.

„Keine Ahnung.“ sagst du. „Was ist denn nun mit T.?“ fragst du.

„Achso.“ sagt sie.

„Na dann…“ sagst du.

„Willst du das wirklich wissen?“ fragt sie.

„Klar!“ sagst du.

„Ich hab was Verrücktes gemacht: Ich bin mit ihm rausgegangen, B. kam uns hinterher, und als wir ihn endlich losgeworden sind, hab ich ihn geküsst.“ sagt sie.

„Und dann?“ fragst du.

„Dann hab ich gesagt, ich muss mal schnell rüber, und bin gegangen.“ sagt sie.

„Echt?!“ fragst du.

„Ja, wieso?“ fragt sie.

„Nur so…“ sagst du, deutest auf dein Handgelenk, wo sich noch nie eine Uhr befand, und sagst: „Wurde ja auch mal Zeit!“ Und denkst: Verdammt, jetzt hat sie ihn wirklich geküsst, wieso ist das damals bei uns nicht so weit gekommen? Wieso kam sie nie auf die Idee, mich zu küssen?

Und du lächelst freundlich, und du merkst, dass du dich trotz allem für sie freust. Und, dass aus diesem wohligen Schauer, den dir ihr das ganze Gesicht zum Strahlen, zum Glühen bringendes Lächeln immer über den Rücken jagte, ein kleiner, stechender Schmerz geworden ist. Weil das Glühen nicht mehr dir gilt.

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Verkehrswert

20.08.05

 

Da drüben ist das Prinzenbad.

Dort sitzen all die berühmten Schriftsteller

und Kolumnisten, die was auf sich halten.

Und sonnen ihre feisten Wänste.

 

Ich wohne hier, kann nichts dagegen tun

– und schreiben kann ich selber.

Doch im Freibad war ich nicht mehr seit

der letzten Arschbombe.

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KBKLKB*

Ich werde wohl nicht umhin kommen, eine Film-Rubrik einzurichten. Das war so nicht geplant (Andererseits: Diesen Film hätte ich nun wirklich nicht verpassen dürfen.). Wieder ein Dokumentarfilm, wieder spielt Gentrifizierung eine gewisse Rolle. Überraschung!

Ausserdem: Das Babylon hatte ich auch sehr lange nicht besucht. Also der denkbar beste Abschluss für ein langes Feiertagswochenende: Die Premiere von Baiz bleibt…woanders; auf einer großen Leinwand, in einem ziemlich großen Saal. Der – das kann schonmal vorweggenommen werden – wenn auch nicht ausverkauft, so doch sehr gut gefüllt war. Fast hätte ich den Termin vergessen, wäre ich nicht nochmal daran erinnert worden. Deshalb gab es hier auch keinen Hinweis, mea culpa.

Der Filmemacher Jochen Wisotzki, Autor und Dramaturg von flüstern & SCHREIEN,  traf 2013 auf die/das Baiz, das zehnte Jubiläum stand bevor. Zehn Jahre bedeutete aber auch, dass der Pachtvertrag auslief. Eine fabelhafte Möglichkeit für die neue Eigentümer-Investorengruppe, dieses laute linke Unruhenest loszuwerden. Die Wohnungen in dem Haus lassen sich mit leisen Büros drunter natürlich viel besser verkaufen, direkt an der Grenze zwischen Prenzlauer Berg und Mitte. Kulturelles Umfeld gerne, kann man ja auch gut mit werben als Heuschrecke (Zitat Ahne, oder war es Gott…?), aber bitte nicht im eigenen Haus.

Als Wisotzki mit seinen Aufnahmen begann stand längst fest, dass nichts mehr zu machen ist, dass das Baiz definitiv aus dem Haus raus muss. Baiz bleibt! – der Slogan, der zu dem Zeitpunkt schon zahlreiche Widerstandsaktionen  begleitet hatte, der immer noch an vielen einschlägigen Wänden klebt – galt da schon nicht mehr. Stattdessen war das einzig Sichere die Zehnjahresfeier im Dezember, und danach eine ungewisse Zukunft. Klar: Es sollte weitergehen, irgendwie, irgendwo.

Über eine Stunde begleitet der Film die Baiz-Crew bei der Suche nach einer neuen Bleibe. Er zeigt aber auch, und das sehr gelungen, dass eine Kneipe – diese Kneipe – so etwas wie die Seele des Kiezes (oder dessen, was noch davon übrig ist) sein kann. Er zeigt, was für ein Schatz verloren gehen würde, was für eine Institution solch ein Ort sein kann. In der relativ kurzen Drehzeit konnte Wisotzki einen guten Überblick über das breite Spektrum einfangen, dass das Baiz bot:

Vom klaren politischen Anspruch der linken Schülerzeitung Zeitung einer linken Jugendgruppe („Wir schreiben ja auch für Arbeiter und Lehrer!“)  bis zur Altherrenschachrunde trafen sich hier die unterschiedlichsten Menschen. Über 20 Veranstaltungen im Monat gab es durchschnittlich, viele davon von Gästen und Umfeld selbst organisiert.

Der Film zeigt Ausschnitte von Auftritten der Schauspielsparte aus Weissensee bis zu Ahne (der mit einem Baiz-Zwiegespräche-mit Gott-Special vertreten ist) und Leander Sukov ebenso wie Konzerte vom Singenden Tresen über Piet Botha bis zu YOK(pocketpunkQuetschenpaua). Wobei diese Aufzählung reichlich unvollständig ist.

Und dann wirklich: Neue, brauchbare Räume sind zu haben, keinen Kilometer entfernt. Großartigerweise braucht man dank der breiten Unterstützung von Kundschaft und Freunden nicht mal eine Bank zur Finanzierung, das wäre ja auch noch schöner… Zwar muss die Viertelmillion über die nächsten 15 Jahre irgendwie zurückgezahlt werden, aber: Niemand schmeisst uns mehr raus! 

Umbau und Umzug werden geplant. Die Idee wächst, aus Letzterem ein eindrucksvolles Symbol gegen den Ausverkauf der Stadt zu machen. An die Umzugsmenschenkette, die sich im Februar letzten Jahres die Schönhauser Allee hochschlängelte (und sich als roter Faden auch durch den Film zieht), mag sich vielleicht der eine oder andere noch erinnern. Immerhin: an ihr kam am Ende nicht einmal die Abendschau vorbei.

Diese Bilder, trefflich kombiniert mit der Musik, sind sicherlich einer der Höhepunkte des Films. Finale und Happy End schliesslich genau vor einem Jahr: Die Neueröffnung. So in etwa könnte eine Kurzbesprechung von Baiz bleibt…woanders aussehen. Vielleicht müsste noch etwas rumgekrittelt werden; der Musikeinsatz war oft gelungen bis hervorragend, der Ton manchmal nicht so sehr. Kann die Unschärfe als charakteristischer Charme ausgelegt werden? Gab es da nicht zwei oder drei Szenen, auf die man auch hätte verzichten können?

Keine Frage jedoch, dass der Film unbedingt zu empfehlen ist – derzeit leider nur auf DVD, hoffentlich bald auch wieder vor größerem Publikum.

***

Doch ich kann kein unvoreingenommenes Urteil zum Baiz und zum Baizfilm liefern – im Gegenteil, ich wüsste gern, welchen Eindruck man gewinnt, wenn man keinen Bezug zu dem Laden hat.

Nachdem ich ein halbes Jahr wieder in Berlin wohnte, war es das Zehnjährige, zu dem ich mich das erste Mal wieder halbwegs unter Leute begab. Schon allein deshalb, und natürlich wegen dem Gentrifizierungsscheiss. Doch eigentlich muss ich noch weiter ausholen, kurz eine Geschichte von noch viel früher erzählen, der Vollständigkeit halber:

Auf dem Weg von der Uni nach Hause landete ich als frischgebackener Student ziemlich schnell ziemlich oft im Bandito, und blieb dort meist sehr lange hängen. Billiges Bier, Kulturprogramm und Vokü, aber vor allem ein Umsonstkicker. Durchweg überzeugende Argumente; soweit, so toll. Der Kicker hatte allerdings einen Haken, der auch oft hinter dem Tresen stand und überhaupt ein netter Zeitgenosse war. Bald nannten wir ihn – nur halb im Scherz – den Meister.

Über die Jahre machten wir so manches Mal mit ihm den Laden zu und versackten noch irgendwo anders in der Gegend. Über die Jahre kam es auch manchmal – ganz selten – vor, dass wir gegen ihn gewannen. Mal verbrachten wir mehr Zeit dort, mal weniger. Leute gingen, Leute kamen, Leuten kamen wieder, Leute blieben weg. Auch wir.

Irgendwann meinte Matthias (der inzwischen seltener kickerte, weil er wie wir alle älter wurde, und ein paar Jahre Vorsprung hatte er ja sowieso), dass es vielleicht einen Versuch wert wäre, zusammen mit einem anderem Freund aus dem Haus direkt um die Ecke eine weitere gute Kneipe aufzumachen, oder besser gesagt: Überhaupt eine Kneipe. Oder besser gesagt: Eine Kultur- und Schankwirtschaft. Denn das Bandito teilten sich die unterschiedlichsten Gruppen an den verschiedenen Tagen, selbstverwaltet und so weiter.

Also: Schon kommerziell, doch so niedrigschwellig wie möglich. Und auf alle Fälle ein ambitioniertes, breites Kulturprogramm, Politik ja sowieso. Wieso sollte man das nicht einfach mal wagen?!

Nicht viel später standen wir mit Farbe und Pinsel in den Räumen Christinen- Ecke Tor. Und inzwischen – eigentlich kommt es mir auch gar nicht so viel später vor, auch weil meine Besuchsfrequenz in letzter Zeit sehr zu niedrig ist – hat dieser Laden ein zehnjähriges plus ein einjähriges Jubiläum auf dem Buckel, eine Verdrängung überstanden und ihr sowas von den Mittelfinger gezeigt. Kann man eigentlich gar nicht glauben. Muss man gesehen haben.

* KBKLKB – Kein Bex, kein Latte, kein Bullshit. Singt Yok und stand auf der alten Baiz-Markise. Und dann auch noch Selbstbedienung.

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Gar nicht so paradox

Dass ich derzeit so wenig zum Bloggen komme, liegt daran, dass ich mich im Moment so viel mit dem Bloggen beschäftige. Darüber gäbe es viel zu berichten, nur fehlt mir die Zeit, das alles aufzuschreiben. Später. Fest steht: Es wird sich einiges ändern, auch hier.

Noch ärger steht es mit dem Fotografieren. Ebenfalls schade, aber da hoffe ich auf den Frühling – wie generell.

Nicht zu vergessen: Lesen, lesen und nochmals lesen.

Da Ostern ist, habe ich sogar etwas Überraschendes gefunden: Ein paar Bilder aus den Straßen Düsseldorfs, anno 2012.

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Verschwiegenheit und andere Klauseln – Das Ende einer Ära I

Er freute sich wirklich sehr über das Geschenk. Ich dachte, wenn ich schon seinen Geburtstag vergessen hatte (wie es nun mal meine Art ist, er nahm mir das nicht krumm, er kannte mich recht gut inzwischen, wusste, mich zu nehmen), dann wenigstens ein Geschenk, das das wettmacht. Sein Anblick beim Auspacken, sein Erstaunen & seine Freude waren ein Geschenk für mich.

Wie angedacht saßen wir lange rum, redeten und tranken dabei die kleinen Flaschen isländischen Wodka, die er mitgebracht hatte. Die Gespräche drehten sich um nichts Konkretes und das große Ganze. Wie immer, wenn wir uns trafen & füreinander Zeit hatte. Wie immer schön.

Irgendwann später am Abend druckste er rum. „Ich habe morgen einen Termin mit B…“ sagte er schliesslich, „Ich hab ihn angerufen, er meinte, das Angebot gilt noch, nicht mehr und nicht weniger.“ So leise wie die Worte seinen Mund verliessen, schaute er mich auch an, erwartungsvoll zweifelnd und ängstlich.

„Klar“ sagte ich, „irgendwann musst du dich ja mal entscheiden, war doch so abgemacht: Ende des Monats, nach dem Urlaub.“ Zögerlich begann seine Miene sich aufzuhellen: „Ich werde wohl annehmen… Ich will einfach nur nicht, dass sich bei uns was verändert, dass du sauer auf mich bist…“ Es klang fast wie eine Frage. „Begeistert bin ich nicht, aber ich mach dir keinen Vorwurf, habe ich dir doch schon tausendmal gesagt. Ich finde es Mist, was hier passiert, im Großen wie im Kleinen. Dass sie jetzt um die Ecke wahnsinnigerweise ein Hotel bauen, oder dass du eben die Kohle nimmst und den Stress vermeidest. Aber das ist nichts Persönliches, das weisst du!“

Ein kurzes, unangenehmes Schweigen war trotzdem unvermeidlich. Doch wir fanden wieder zurück in die Spur, kamen vom Hundertsten ins Tausendste, von den Kriegen um uns rum, die unsere psychiatrischen Notaufnahmen mit traumatisierten Flüchtlingen fluten und überfordern, über die Systemfrage (natürlich!), bis zu der Erkenntnis, dass Maggie Thatcher mit ihrem Unwillen gegenüber der Deutschen Einheit recht behalten hatte: Kein Großdeutschland, nur ein wirklich vereintes Europa hätte die Großkotzigkeit, die wir jetzt wieder an den Tag legen, verhindern können.

Ganz viele Urlaubsgeschichten auch, da führte kein Weg dran vorbei – doch Böhmermanns Stinkefingergate konnten sie selbst auf dieser abgelegenen Vulkaninsel nicht entkommen. Und da fand ich heraus, dass er Olli Schulz nicht kannte. Ich konnte es nicht fassen. „Böhmermann, naja, diese Radiosendung mit Olli Schulz, die hab ich früher gern mal gehört.“ Sagte ich. „Was für ein Olli Schulz?“ fragte er. Keine Ahnung, gar nicht! Weder von dem alten „Hund Marie“-Olli Schulz noch von Charles Schulzkowski. Und das, wo er in Hamburg wohnt! Da kam ich nicht umhin, ihm „Koks & Nutten“ vorzuspielen. Danach saßen wir noch eine ganze Weile ergriffen rum.

Am nächsten Abend sah er ziemlich durch den Wind aus, als er nach Hause kam. „Ich habe unterschrieben.“ sagte er zerknirscht, „Der Typ hat mich voll an die Wand gequatscht.“ Vielleicht wurde es auch langsam Zeit: Zur Sonnenfinsternis in das Haus gezogen, zur Sonnenfinsternis die Entscheidung getroffen, wieder auszuziehen.

Der letzte Punkt in seinem Aufhebungsvertrag besteht aus einer Verschwiegenheitserklärung. „Die Bösen haben gewonnen“ dachte ich mir, „und man darf nicht mal darüber reden.“ Am nächsten Tag, einem Samstag, ging der Architekt durch das Haus und verteilte die Modernisierungsankündigungen. Für uns gab es keine mehr, für die anderen soll sich die Miete verdoppeln bis verdreifachen. Dafür habe ich jetzt andere Sorgen.

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Bilanz 10-2

29.04.10

 

Wo auf einmal das ganze Geld herkommt

frage ich mich.

Erst Abermilliarden für Banken.

Jetzt noch für Griechenland,

und bald für Portugal,

das von jemanden regiert wird

der Socrates heisst.

 

Derweil im Fernsehen ein Reporter:

„Die Mehrheit der Deutschen will keine Steuersenkung, Herr Solms.“

Man stelle sich diese Aussage mal vor fünf Jahren vor.

Oder die Antwort von Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich:

„Die Mehrheit der Deutschen zahlt ja auch keine Steuern.“

 

Und während wir am anderen Ende der Welt

umgangssprachlich Krieg führen,

ist das Hauptgesprächsthema wie immer

dass es jetzt aber wirklich mal Zeit wurde

mit dem Frühling, nach dem Winter.

 

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seotoninlevel gleich null

Ich wüsste jetzt alles
über die optimale Positionierung,
wenn mir sowas wichtig wäre,
wenn es mir darum ginge,
wenn ich meine Marke aufbauen
& womöglich noch nach vorne
bringen wollen würde.

[„Du bist mir ja ’ne Marke“
sagte man früher und erntete
vielleicht ein freundlich-empörtes
„Wie bitte?!“
Heute wird das als Kompliment betrachtet
und sich artignaiv dafür bedankt.]

Will ich aber gar nicht,
trotzdem gut zu wissen,
mit welchem Wasser
all diese Grosssprecher
& Wichtigtuer kochen,
um ihre heisse Luft
zu produzieren.

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Wenn, dann wird es wohl Wedding werden

Gemerkt, dass man nicht alles haben kann: lesen, schreiben und leben. Jedenfalls nicht, wenn noch täglich acht Stunden mit geregelter Tätigkeit verbracht werden, die zwingend frühaufstehen voraussetzt und anderthalb Stunden bahnfahren als Dreingabe bietet. Deswegen zieht das Lesen den Kürzeren, es reicht gerade mal, um morgens kurz den feedreader zu durchforsten und alles Interessante in die Lesezeichenliste zu packen. Sonntagmorgen fragt der Browser dann, ob ich wirklich 76 Tabs öffnen will. Ja, habe ich denn eine Wahl?!

***

Angesichts der morgendlichen Massen in der U7 war ich kurz davor, wieder mit den längeren Podcasts anzufangen, da ich nun wirklich nicht im Stehen und von allen Seiten bedrängt lesen mag. Doch dann probierte ich als Alternative die Ringbahn aus, und dort gibt es, entgegen dem schlechten Ruf der S-Bahn, immer einen Sitzplatz für mich. So konnte ich mit Kischs „Marktplatz der Sensationen“ anfangen, Aufbau Verlag, 1981 – damals 3,80 Mark (der DDR), letzte Woche blind für einen Euro gekauft. Läuft das schon unter Wertsteigerung?

Jedenfalls: Blind gekauft, wie gesagt, ich vermutete eine Sammlung bunt zusammengewürfelter Reportagen, doch eigentlich ist es eine Art loser Selbst- und Weltbeschreibung. Erinnert mich in Vielem an Zweigs „Erinnerungen eines Europäers“, das ich vor knapp einem Jahr las.

Was mir bei beiden Büchern durch den Kopf ging – und in ihrem Vergleich, ihrem Zusammenspiel noch mehr auffällt: Dass wir heute die deutschsprachige Literatur (und, gottbewahre, gar die deutschsprachige Kultur) jenseits der Landesgrenzen so gut wie komplett ausgeblendet haben. Wie Zweig das k.u.k.-Wien beschreibt, komplementär dazu Kischs k.u.k.-Prag, da bekommt man eine leichte Ahnung davon, wie vielfältig und reich die deutschsprachige Literatur mal war. Was wissen wir heute über die österreichische oder gar schweizerische Kulturszene? Eigentlich gilt nur noch Berlin – als Gegenstimme aus den Provinzen gibt es ein paar Krimis, das war es dann aber auch. Ansonsten: Frankfurt bzw. Leipzig, wenn mal wieder Messe ist (und ich mich, zumindest bei letzterer, wieder ärgere, dass ich es nicht dorthin schaffe. Aber immerhin hatte ich gestern Abend eine Messebesucherin im U-Bahn-Waggon, die in ihrem lautstark geführten Telefonat eine kostenlose lebensnahe Schilderung für alle Passagiere feilbot.)

***

Apropos Berlin: Ich meinte zu dem wankelmütigen, liebenswerten Hauptmieter-Mitbewohner, dass er sich doch mal entscheiden soll. Ich fürchte, er entscheidet sich für das Geld. Dann geht es wohl entweder in den Wedding, wo ich in letzter Zeit eh‘ relativ oft Bier trinken gehe, oder ganz weit weg. Ich wage nicht zu hoffen, in Kreuzberg bleiben zu können.

***

Einer der Höhepunkte dieser Woche: Meine Lieblingsfigur aus Breaking Bad (was ich, wie ich inzwischen festgestellt habe, viel zu schnell hintereinander schaute) – Mike Ehrmantraut – bekam beim Spin-off Better call Saul eine Episode nur für sich & seine Hintergrundgeschichte. Und mit dieser einen Folge hat er meiner bescheidenen Meinung nach alles an die Wand gespielt, was bisher aus dem BB-Universum zu uns vordrang.

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